Vogelmonitoring: Wie werden Vögel erfasst?
Die NWO zählt Vögel, besser formuliert Tausende Ehrenämtler*innen sind jeden Tag draußen und erfassen Zufallsbeobachtungen mithilfe von ornitho.de oder erfassen Vögel im Rahmen unserer Monitoringprogramme. Ziel von Erfassungsprogrammen kann es sein, die Arten eines Gebietes festzustellen und im besten Fall auch zu wissen, wie viele Individuen es von jeder Art gibt. Durch wiederholte Erfassungen lassen sich auch Veränderungen der Bestände einzelner Arten bzw. damit einhergehende größere Veränderungen ganzer Vogelgemeinschaften überwachen. Aber wie funktioniert das eigentlich konkret?
Am Anfang steht häufig die Frage, ob Teilbestände oder der Gesamtbestand in einem ausgewählten Gebiet erfasst werden sollen. Bei einem erfolgreichen Seeadlerpaar in NRW ist die Erfassung vermeintlich nicht so schwierig, aber auch hier stellt sich die Frage, ob wir wirklich ganz NRW abgesucht haben oder evtl. noch ein Paar übersehen haben könnten. Das ist nicht ganz auszuschließen und ganz streng genommen haben wir es bei eigentlich vollständigen Erfassungen eher mit einem Mindestbestand zu tun (Seeadler lassen sich aber vergleichsweise gut finden). Außerdem ist es wichtig zu überlegen, ob die Verbreitung einer Vogelart oder ihr Bestand im Vordergrund steht. Das bedeutet nicht, dass es zwischen beiden keinen Zusammenhang gibt, aber ein Koloniebrüter mag in einem Gebiet viel häufiger sein als eine gleichmäßig verbreitete Vogelart, die überall aber nur in sehr geringer Dichte vorkommt. Sucht man nur Teile eines Gebietes auf, lässt sich der Bestand einer überall gleichmäßig vorkommenden Vogelart vermutlich recht gut hochrechnen, bei einem Koloniebrüter oder einer anderen sehr ungleichmäßig verteilten Vogelart wird das schwierig. Die Erfassung von Teilbeständen findet auch dann oft Anwendung, wenn Bestandsentwicklungen (Trends) wichtiger als der exakte Bestand sind.
Bei Brutvögeln lassen sich grundsätzlich besetzte Nester zählen, aber manche Vogelarten bauen mehr als ein Nest und das Finden von Nestern kann unterschiedlich schwierig sein: Graureihernester vor dem Laubaustrieb zu zählen ist grundsätzlich einfacher, als alle Amselnester in einem großen Gebiet zu erfassen. Für viele Vogelarten ist im Rahmen typischer Bestandserfassungen die äußerst aufwändige Nestersuche aber heutzutage keine Option mehr. Zum Glück zeigen jedoch viele Vögel an, dass sie ein Revier besetzt haben – z.B. durch ihren Gesang und dank Ferngläsern lassen sich Vögel auch aus der Distanz bestimmen. Dadurch ergeben sich viele weitere Möglichkeiten, Bestände zu erfassen.
Wir können hier nicht alle verfügbaren Methoden im Detail erklären, die in der Praxis zur Anwendung kommen. Oft sind die Ansätze artspezifisch, manchmal reicht es, bestimmte Lebensräume in einem Teilgebiet aufzusuchen und auch Beringung, Telemetrie, Fotofallen, passives akustisches Monitoring, Spurensuche inklusive DNA-Analyse und vieles andere kann je nach Fragestellung zum methodischen Werkzeugkasten gehören. Artspezifische Methoden wie die bereits genannten Nesterzählungen kommen z.B. bei einigen Modulen des Monitorings seltener Brutvögel auch in NRW zum Einsatz. So werden für das Trendmonitoring der Uferschwalben die Brutröhren gezählt. Stehen aber gleich ganze Vogelgemeinschaften im Fokus, müssen die Methoden universeller sein. Wir möchten hier an dieser Stelle dazu drei besonders häufig angewendete Ansätze vorstellen: Revierkartierung, Linienkartierung und Punkt-Stopp-Zählung.
Was ist eine Revierkartierung?
Die Revierkartierung findet in Mitteleuropa praktisch nur bei der Erfassung von Brutvögeln eine sinnvolle Anwendung. Bei einer Revierkartierung wird das Untersuchungsgebiet in der Regel mehrfach auf der ganzen Fläche begangen und dabei werden alle festgestellten Vögel (gehört und/oder gesehen) in einer Karte eingetragen. Da auf Papierkarten bzw. auf dem Display eines Handys der Platz begrenzt ist, werden in der Regel Abkürzungen für jede Art verwendet. Symbole geben zu jedem Individuum das Verhalten an, z.B. singend (+), überfliegend, rufend (<) etc. Auch Geschlechter werden ggf. unterschieden und zufällige Nestfunde eingetragen. Hört man zwei Vögel gleichzeitig singen, wird markiert, dass es zwei verschiedene Individuen sind. Das Ergebnis der Begehung ist eine Tageskarte. Aus den Tageskarten lässt sich für jede nachgewiesene Vogelart dann eine sogenannte Artkarte erstellen, auf der nur die Beobachtungen einer Art aufgeführt sind. Basierend auf viel Erfahrung und Kenntnis der Ökologie der jeweiligen Art lassen sich nun Reviere abgrenzen, indem die jeweiligen Beobachtungen zusammengefasst werden. Dies geschieht durch die Zeichnung eines Polygons um die einzelnen Beobachtungen. Zählt man die Polygone aus, hat man die Anzahl der Reviere in einem Gebiet. Meist gibt es weitere Vorgaben, z.B. zur zu beachtenden Jahreszeit und mittlerweile sind auch automatisierte Auswertungen möglich, wie sie z.B. beim Monitoring häufiger Brutvögel (MhB) zur Anwendung kommen.
Was ist eine Linienkartierung?
Linienkartierungen sind nicht zwingend auf Brutvögel beschränkt, sondern können auch bei Rastvögeln zum Einsatz kommen. Bei einer Linienkartierung wird ein gegebenes Untersuchungsgebiet nicht vollständig begangen, sondern es wird einem oder mehreren sogenannten Transekten gefolgt. Diese können geradlinig sein oder z.B. einfach dem Wegenetz folgen. Gegenüber der Revierkartierung hat die auch Linientaxierung genannte Methode den Vorteil, dass der Aufwand deutlich geringer ist. Ein Nachteil: absolute Bestandszahlen sind für das Gebiet nicht so einfach zu erreichen. So gilt zu beachten, dass ein Transekt nicht notwendigerweise repräsentativ für ein Gebiet ist – man stelle sich einfach einen Weg vor, der einem Fluss folgt, während der größte Teil des Gebietes dagegen eine wasserarme Agrarlandschaft ist. Ein weiterer Aspekt ist wichtig: Beobachtende werden mit höherer Wahrscheinlichkeit Vögel beobachten, die näher an ihrem Transekt sind als weiter entfernte. Bei der Datenerhebung werden deshalb oft die Entfernungen berücksichtigt und die Auswertung erfolgt distanzbasiert. Linienkartierungen bieten sich insbesondere an, wenn Trendberechnungen im Vordergrund stehen. Das MhB ist übrigens eine Kombination aus Revierkartierung und distanzbasierter Linienkartierung, wobei eine Stichprobenfläche einen Quadratkilometer groß ist und die Länge der Route meist bei drei bis vier Kilometern liegt.
Was ist eine Punkt-Stopp-Zählung?
Auch Punkt-Stopp-Zählungen sind sowohl für Brut- als auch für Rastvögel geeignet. Es werden alle Vögel erfasst, die von einem einzigen Punkt aus in einer festgelegten Zeit festgestellt werden. Mehrere Stopps liegen entlang einer festgelegten Route. Auch dabei gibt es einige methodische Feinheiten – manchmal dürfen die Vögel schon erfasst werden, während man sich dem Punkt nähert, damit aufgescheuchte Individuen mit in die Erfassung kommen. Auch der zu erfassende Zeitraum lässt sich variieren – meist liegt er zwischen drei und fünfzehn Minuten. Auch hier finden oft distanzbasierte Methoden Berücksichtigung. Im einfachsten Fall wird zumindest ein maximaler Radius angegeben, in dem Vögel noch berücksichtigt werden dürfen. Die Punkt-Stopp-Zählung wurde auch in Deutschland lange angewendet, wurde aber großräumig durch das MhB ersetzt. Eine Punkt-Stopp-Zählung ist vergleichsweise einfacher und weniger zeitintensiv und die einzelnen Punkte können ein größeres Gebiet umfassen. Allerdings werden Daten, die zwischen den Punkten erfasst werden, nicht berücksichtigt und dadurch Zeit im Feld vergeudet. Punkt-Stopp-Zählungen finden beispielsweise in den USA und Kanada statt, wo Punkt-Stopp-Routen jeweils 40 Kilometer (24,5 Meilen) umfassen und im Optimalfall alle 0,5 Meilen bei einem dreiminütigen Stopp die Vögel erfasst werden.
Selbst aktiv werden!
Wer selbst mitmachen möchte und Vögel zählen will, findet bei unserem Monitoring eine große Auswahl von Einstiegsmodulen zu einzelnen Arten bis hin zu fachlich etwas anspruchsvolleren Programmen, bei denen bereits eine gute Artenkenntnis Voraussetzung ist. Schauen Sie selbst, welches Monitoringprogramm für Sie das richtige ist.
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