27.10.2022

Vogel des Jahres 2023: Braunkehlchen in NRW

Braunkehlchen
Vogel des Jahres 2023: Braunkehlchen
(© Hans Glader)

Bei der von NABU und LBV veranstalteten Wahl zum Vogel des Jahres 2023 wurde das Braunkehlchen mit mehr als 40 % der 135.00 abgegebenen Stimmen eindeutiger Sieger. Es verwies damit Feldsperling, Neuntöter, Trauerschnäpper und Teichhuhn auf die weiteren Plätze, wie der NABU heute auf seiner Homepage bekannt gab.

Das Braunkehlchen ist unter den Kandidaten auch die am stärksten bedrohte Art. Es steht wie kaum ein anderer Singvogel für die gefährdeten Lebensräume unserer feuchten mageren Wiesen und Weiden. Braunkehlchen gehören verwandtschaftlich zur Familie der Schnäpper. Ihr Name wird dem kontrastreichen Gefieder kaum gerecht. Der weiße Überaugenstreif, die orange überhauchte Brust und ein schwarz-weißes Schwanzmuster machen vor allem die Männchen im Prachtkleid auch für den menschlichen Betrachter überaus attraktiv. Weibchen sind meist etwas weniger kontrastreich gefärbt, aber kaum minder ansprechend gefärbt. Braunkehlchen sind Zugvögel, die nur in den Sommermonaten bei uns zu beobachten sind, den Winter als Langstreckenzieher aber in Afrika verbringen. In NRW sind Braunkehlchen fast nur noch auf dem Durchzug im April/Mai und August/September zu beobachten. In Nord- und Osteuropa gibt es teilweise noch größere Brutbestände. Einst waren Braunkehlchen in ganz NRW auch als Brutvögel flächendeckend verbreitet und häufig. Aktuell gibt es nur noch vergleichsweise winzige Restvorkommen in unserem Bundesland. Wo früher magere Wiesen, Weiden und Niedermoore vom abwechslungsreichen Gesang des kleinen Singvogels erfüllt waren, gibt es heute trockengelegte Moore, die die Klimakrise anheizen, Ackerland für Biogas und überdüngte Fettweiden und Wiesen, die mehrfach im Jahr geschnitten werden. Löwenzahnwiesen, die unwissende Besucher und Tourismusverbände erfreuen mögen, sind vergleichsweise ökologisch wertlos. Übrigens zeigen Studien, dass für den Bestandsrückgang Gefahren im Winterquartier keine wesentliche Rolle spielen und selbst die katastrophale Zugvogeljagd um das Mittelmeer kommt lediglich als Faktor hinzu. Die Ursachen für den Bestandsrückgang liegen bei uns in den Brutgebieten.

Braunkehlchen
Braunkehlchen brauchen naturnahe Wiesen und Weiden (© Hans Glader)

Braunkehlchen leben heute nur noch in ganz wenigen Schutzgebieten Nordrhein-Westfalens. Im einst dicht besiedelten Tiefland ist die Art ausgestorben und selbst in der Eifel gibt es höchstens noch Einzelpaare. Selbst die Karte in unserem Brutvogelatlas aus dem Zeitraum 2005-2009 zeigt mittlerweile leider ein viel zu positives Bild. Winzige Restbestände halten sich im südlichen Westfalen. Aber auch hier sind es im Vergleich zu früher nur noch winzige Bestände, die es auch dort nur noch in entsprechend gemanagten Schutzgebieten gibt. Die letzte Rote Liste gibt den Bestand mit 200-250 Brutpaaren an, wobei sowohl der Lang- als auch der Kurzzeittrend eine starke Abnahme verzeichnen. Das Braunkehlchen ist in NRW vom Aussterben bedroht. Oft genug werden Braunkehlchennester auch bei der Mahd zerstört. Managementpläne (wenn es sie denn gibt) für Schutzgebiete werden in NRW bisher nur unzureichend umgesetzt, der Stickstoffeintrag aus der Luft verändert die Lebensräume, Sukzession durch Gebüsche macht Gebiete für Braunkehlchen unattraktiv und lokal mag auch Prädation eine Rolle spielen, wenn auch für den langfristigen Abwärtstrend rein anthropogene Faktoren wie die Veränderung der Landnutzung ursächlich für das Verschwinden der Art sind. Hoffnung speist sich aktuell vor allem aus lokalen Schutzgebietsbemühungen im Bereich der letzten Kernvorkommen der Art, wo meist Biologische Stationen versuchen, das Aussterben der Art zu verhindern. Die durchgeführten Maßnahmen z.B. in der Medebacher Bucht und im Raum Burbach zeigen, dass es möglich ist, das Braunkehlchenbestände zu stabilisieren - eine Trendumkehr ist möglich!

Das Braunkehlchen ist aufgrund seiner Umweltansprüche Schirmart für eine ganze Landschaft. Unzählige Insekten, Pflanzen, Vögel wie Bekassine oder Wachtelkönig und viele weitere Organismen leb(t)en im selben Lebensraum wie das Braunkehlchen und teilen leider sein Schicksal. Das Braunkehlchen steht für bunte Blumenwiesen und Weiden voller Schmetterlinge. Wenn wir möchten, dass das Braunkehlchen und seine Brutheimat uns zumindest in Resten erhalten bleibt, müssen Schutzgebiete in NRW ihren Namen endlich verdienen und gleichzeitig muss großräumig der Eintrag von Bioziden und Stickstoff drastisch gesenkt werden.