16.06.2025

Vogelzug: „Winter is coming“ im Juni? Start des Wegzuges im Frühsommer

Waldwasserläufer
Waldwasserläufer – bereits auf dem Weg in den Süden? (© Hans Glader)

Das ganze Jahr über sind weltweit Vögel irgendwo auf dem Zug in ihre Brut- und Winterquartiere. Der Juni ist in Mitteleuropa vielleicht der ungewöhnlichste Monat, denn Heim- und Wegzug können sich zu dieser Jahreszeit bei uns sogar kreuzen.

Erst vor Kurzem berichteten wir über die Ankunft der Langsteckenzieher. Schließlich erreichen viele Transsaharazieher unsere Breiten erst im Mai. Die letzten Zugvögel besetzen ihre Reviere sogar erst Ende Mai. Hocharktische Brutvögel können noch im Mai durchziehen, nicht selten gelingen zu dieser Jahreszeit schöne Beobachtungen von im Binnenland eher selten zu beobachtenden Limikolen und nachts ist selbst über Siedlungen der Ruf bzw. Gesang ziehender Wachteln zu hören. Einige sind noch Anfang Juni auf der Zwischenrast zu sehen. Normalerweise weiter südlich brütende Zugvögel erreichen zu dieser Jahreszeit ebenfalls manchmal Gebiete weiter nördlich. Oft wird vermutet, dass sie über das Ziel hinausschießen, weshalb auch von „Zugprolongation“ oder „Overshootern“ gesprochen wird. Manchmal ergeben sich dadurch Beobachtungen regional seltener Arten, die für viele von uns mindestens das Salz in der Suppe der Vogelbeobachtung ausmachen. So ist der Juni der Monat, in dem es immer wieder zu Einflügen von Gänsegeiern nach NRW kommt. Auch aus den vergangenen Tagen finden sich auf ornitho.de Meldungen aus NRW.

Im Juni haben viele Standvögel und Kurzstreckenzieher aber auch bereits Junge. Diese streifen umher und können ggf. auch in ungewöhnlichen Lebensräumen auftauchen. Doch auch abgesehen von diesen eher ungerichteten Bewegungen, gibt es bereits einige Vögel, die sich auf den regulären Weg in ihre Überwinterungsgebiete machen. Für diese Arten gilt bereits im Frühsommer, der aus einer Fantasyserie bekannte Spruch „Winter ist coming“.

Ein prominentes Beispiel ist der Kuckuck. Die Altvögel kümmern sich bekanntlich nicht um den Nachwuchs, die Wirte haben mit der Brut begonnen und es gibt daher erstmal, keine weiteren Gründe im Brutgebiet zu bleiben. Dass die Altvögel wirklich auf dem Weg nach Süden sind, lässt sich anhand im Vereinigten Königreich besenderter Kuckucke sehr gut verfolgen. Auch unter den Limikolen setzt der Wegzug nun teilweise ein. Eine unserer Flaggschiffarten im Natur- und Vogelschutz, die Uferschnepfe, macht sich nun langsam auf in ihre Rastgebiete. Diese liegen beispielsweise in den küstennahen Feuchtgebieten auf der Iberischen Halbinsel. Die Doñana in Andalusien oder die Tejo-Mündung in Portugal sind die nächsten bedeutenden Ziele. Vor allem adulte Uferschnepfen, deren Brut früh verloren gegangen ist, machen sich bei nun auf den Weg. Auch hier lässt sich der Zug dank hochpräziser GPS-Sender online verfolgen.

Einige Limikolenarten haben eine Brutstrategie, die von dem abweicht, was viele von heimischen Singvögeln kennen. Bei einigen Arten kümmern sich nämlich vor allem die Männchen um die Brut und die Weibchen brüten nach der Eiablage noch ein zweites Mal mit einem anderen Männchen – oder ziehen eben bereits jetzt schon nach Süden. Wer im Juni einen Waldwasserläufer beobachtet, kann eigentlich nicht sicher sein, ob der Vogel gerade noch sehr spät auf dem Weg in den hohen Norden ist, oder ob es sich bereits um ein Individuum auf dem Wegzug handelt. Das bedeutet, dass es sogar denkbar ist, dass sich Vögel auf dem Heim- und Wegzug bei uns treffen.